Ravensburg – Wie entwickelt sich der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) zukünftig, welche Herausforderungen kommen dabei auf die privaten Busunternehmer im bodo-Verkehrsverbund zu und wie lassen sie sich meistern? Diesen Fragen sind die Gesellschafter der Regionalverkehr Bodensee-Oberschwaben GmbH (RBO) bei ihrer zweitägigen Impulstagung gemeinsam mit Vertretern der Verkehrsverbünde und der Landkreise nachgegangen.
„Verbundgeschäftsführer, Aufgabenträger und Unternehmen lassen sich auf unsere Initiative gemeinsam auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft ein“, freute sich RBO-Geschäftsführer Bernd Grabherr über das große Interesse von fast 40 ÖPNV-Fachleuten. „Das Miteinander im bodo hat Strahlkraft auf das gesamte Gebiet zwischen Alb und Bodensee“, beteuerte er.
Es werden mehr öffentliche Mittel benötigt
Thomas Mügge, Geschäftsführer im Donau-Iller-Nahverkehrsverbund DING in Ulm berichtete aus der Praxis des benachbarten Verkehrsverbundes und skizzierte die sich rasant verändernden Anforderungen und Rahmenbedingungen im regionalen Nahverkehr. Er prognostizierte, dass schon allein aufgrund des rückläufigen Schülerverkehrs, der das Rückgrat der Einnahmen bildet, „mehr öffentliche Mittel benötigt werden, um die steigenden Kosten zu decken“. Die zunehmende Digitalisierung erfordert beispielsweise Bordcomputer, die jährlich zwei bis drei Millionen Datensätze verarbeiten und unter anderem mit Echtzeitanzeigen an Bushaltestellen vernetzt sein müssen. Und das alles bei zunehmendem Preisdruck auf die Busunternehmen. Mit seinen Ausführungen über die zunehmenden Ausschreibungs- und schwierigere Genehmigungsverfahren stieß Mügge eine angeregte Diskussion an.
„Das Thema Wettbewerb bringt die mittelständischen Busunternehmen an ihre Grenzen“, gaben gleich mehrere Unternehmer zu bedenken. Gespart werden könne nur noch an den Personalkosten, was den schon heute bestehenden Busfahrermangel weiter verschärfe. Dieter Unseld, Geschäftsführer der DBZugBus RAB, beklagte, dass die Busunternehmen zu Fahrdienstleistern degradiert und stattdessen auf die Verwaltung hohe externe Planungskosten zukommen würden.
„Und anstatt das unternehmerische Know-how vor Ort nahe bei den Fahrgästen zu nutzen, werden die Fahrpläne von externen Beratungsfirmen für vergleichsweise teures Geld aufgestellt“, fügte Philipp Reinalter von Strauss Reisen hinzu. Christof Bühler von Bühler Reisen brachte noch einen weiteren Aspekt. „Ein Bauunternehmer kann sich nach einer verlorenen Ausschreibung morgen wieder für eine neue Baustelle in der Nachbarschaft bewerben. Als lokaler Busunternehmer bin ich an den Standort gebunden und habe diese Möglichkeit nicht. Das ist kein fairer Wettbewerb, das ist Glücksspiel. Ein neuer Linienbus kostet rund 300.000 Euro, dafür brauchen wir Planungssicherheit.“
„Die Interessen des Mittelstandes sind angemessen zu berücksichtigen“
Dr. Michael Bender aus der Kanzlei „Bender & Philipp Rechtanwälte“ ermutigte die Unternehmer in seinem Referat „Kooperation oder Linienbündel – Wahlfreiheit oder Bindung des Aufgabenträgers“, so weit wie möglich am Nahverkehrsplan mitzuarbeiten und ihr Know-how einzubringen. „Die Interessen des Mittelstandes sind angemessen zu berücksichtigen“, zitierte er das Personenbeförderungsgesetz. Schließlich müssten die Unternehmen, die ihre Fahrgäste am besten kennen, auch mitreden dürfen, wenn es um die zukünftige Personenbeförderung gehe. „Eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Unternehmern ist für mich das A&O“, befand daraufhin Gerd Hägele, Vertreter des Landratsamtes Ravensburg. „Wir setzen auf ein Miteinander zum Wohle der Fahrgäste“, betonte auch RBO-Geschäftsführer Bernd Grabherr.
Mittelstand ist ein Wert für sich
Die Bedeutung des Mittelstandes als Arbeitgeber in der Region hob auch der ehemalige baden-württembergische Verkehrsminister Ulrich Müller hervor. Als CDU-„Urgestein“ referierte er aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung „wie die Politik tickt“. Zwar seien die privaten Busunternehmen eine kleiner Verband, sie leisteten aber gerade im ländlichen Raum einen wesentlichen Beitrag zur Mobilität und damit zur Daseinsvorsorge. „Sie sind verlässliche Partner vor Ort und kennen ihre Fahrgäste“, so Müller.
Mobilität ist Lebensqualität
Als Demografiebeauftragter der Landesregierung zeichnete Thaddäus Kunzmann in seinem Szenario auf, welche Herausforderungen auf die Gesellschaft zukommen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in zehn Jahren in Rente gehen und in zwanzig Jahren verstärkt pflegebedürftig werden. Wenn aufgrund des hohen Alters das Auto als Fortbewegungsmittel ausscheide, müssen die Unternehmer und Landkreise Lösungen finden, die Älteren mobil zu halten – und dabei auch die Wege von der Bushaltestelle bis zur Haustür berücksichtigen. „Mobilität ist Lebensqualität und ermöglicht soziale Kontakte“, brachte es Kunzmann auf den Punkt.
In Systemen denken
Die Veränderungen im Mobilitätsverhalten beschäftigen auch die Wissenschaftler der Daimler AG. Ferdinand Fegert, Teamleiter im Innovation Lab Daimler Buses nahm die Teilnehmer mit auf eine Reise in die Zukunft der Mobilität. Man müsse in Systemen denken. Erst wenn autonome E-Fahrzeuge mit der Infrastruktur, wie Ladestationen, Ampeln und Werkstätten vernetzt sind, bringt es wirkliche Vorteile für Hersteller und Nutzer. „Verstehen Sie Veränderungen nicht als Risiko, sondern als Chance“, gab er den Zuhörern mit auf den Weg.
„Es geht immer um Entwicklung und Veränderung“, lautete denn auch das Fazit von RBO-Geschäftsführer Bernd Grabherr. „Was behalte ich vom Alten, was nehme ich Neues hinzu“, sind die Fragen, die uns in nächster Zeit noch oft beschäftigen werden.“